Andreas Busche, Spex (Berlin), September:

 

Die Welt am Draht; der rundum informierte Mensch als kleinstes und schwächstes Glied in einer Vielzahl von globalen Daten-Netzwerken (Internet, Börse, multinationale Joint-Ventures, Virtual Reality). Bald schon wird die „bakteriologische" Kriegsführung im Cyberspace in den betriebseigenen Verteidigungsstäben von multinationalen Großkonzernen mächtig en vogue sein. Werden Profi-Hacker wie Lucky Green sich also über kurz oder lang hinter Reishütchenträgern (70er) und Ölbauern (90er) in die Ahnengalerie der Public Enemies No 1 einreihen? Oder wird hier nur vituell wiederaufbereitet, was die Herren Theoriekonzeptschreiber mit den herkömmlichen CNN-genormten Dosen nicht ausreichend über ihre eigenen realen „Konfliktpotentiale" kompensieren können? Vom 7.-11. September steht die Ars Electronica in Linz ganz unter dem Motto „INFOWAR - information.macht.krieg".

Ein kurzer Streifzug durch die Schreckensszenarien der „Information Warfare" und ein praktischer Gegenentwurf der Corporation-Saboteure von ®TMark.

InfoWar- Information kriegt Macht

In nicht allzu ferner Zukunft: Informationen sind wertvoller als Wasser. Kriegsschauplatz ist die Informations-Infrastruktur der multinationalen Mega-Konzerne. In aufreibenden „virtuellen Kriegen" legen Computer-Hacker und Cybersöldner die gegnerischen Kommunikationssysteme lahm und zerstören deren Informationszentren. Staatengebilde sind obsolet, rücksichtslose Wirtschaftskonglomerate beherrschen den digital vernetzten Kapitalmarkt.

Dieses Szenario isr der etwas überspitzte Zukunfts-Entwurf von Gerfried Stocker, seines Zeichens künstlerischer Leiter der Ars Electronica, dem international renommiertesten Festival an der Schnittstelle von Kunst, Technologie und Gesellschaft. Passend dazu haben die Themenschwerpunkte des Symposiums, neben dem Prix Ars Electronica der Kern des Festivals, dieses Jahr knackige Arbeitstitel wie „Computeraided Warfare" oder „Der Krieg im Netz"; geladen wurden u.a. ex-Meinungsmacher aus Pentagon, CIA und von der WallStreet. Auf der politisch korrekten Seite stehen dagegen über jeden Zweifel erhabene Theoretiker wie Geert Lovink, Friedrich Kittler, Paul Virilio und Manuel De Landa. Mit dieser gewagten Konstellation begibt sich Stocker wieder einmal auf dünnes Eis, aber den Weg des geringsten Wiederstands ist er noch nie gegangen, seit er vor 3 Jahren die Leitung des Festivals übernommen hat.

Letztlich aber dienen ihm der verklärt-kriegstreiberische Wortlaut der Pressetexte und die kontroverse Wahl der Referenten lediglich als Durchlauferhitzer für einige brennend-aktuelle Fragen, damit die Debatten auch schön zum Kochen kommen. Im Mittelpunkt: Die Verfahrensweisen einer rundum vernetzten Informationsgesellschaft mit eben diesem „information overflow".

 

„Strategische Waffe Desinformation"

Die Gefahrenpotentiale der global vernetzten Weltwirtschaftskonzerne sind keinesfalls an den Haaren herbeigezogen. In Ostasien verabschiedeten sich gerade erbebensicher geglaubte Finanzmärkte in eine unsichere Zukunft. Dazu reicht schon ein einziger Instabilitätsfaktor im dicht verflochtenen (Finanz-)Netzwerk; eine Störung im System wird ohne Zeitverzögerung kettenreaktionsartig über die mit harter Valuta geölten Einzelglieder über eine ganze Region verteilt. Regierungen geraten ins Wanken. Die Konsequenzen und Gefahren solcher gewaltigen Info-Netzwerke wirken sich somit auch unmittelbar auf die Bevölkerung aus, egal, ob sie nun am Draht („net") hängt oder nicht.

Wie eng die Komplexe Politik, Wirtschaft und Militär, insbesondere durch die Entwicklung digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien wie Computer und Internet, die ja letztendlich aus den Etats der Rüstungsindustrie heraus entwickelt wurden, inzwischen miteinander verknüpft sind, und damit direkten Einfluß auf zivile Bereiche nehmen, will das Symposium „InfoWar" dieses Jahr in aller Klarheit auseinanderfriemeln.

Leider verschwand in der heißesten Festival-Vorbereitungsphase ein interessanter Aspekt des InfoWars aus dem Blickwinkel der Organisatoren: Assimilation und Manipulation als effizienteste Guerilla-Taktik, die stetige Unterfütterung der leicht anfälligen Informations-Infrastruktur mit gezielter Desinformation. Das worst case scenario: der globale Finanzcrash.

®TMark

Assimilation und Manipulation sind auch die bevorzugten Strategien der amerikanischen Corporate Culture-Saboteure von ®TMark (sprich: artmark), die seit 1991 der wachsenden sozialen und politischen Bedrohung durch gigantische Wirtschaftskonglomerate Widerstand leisten. Die im Geheimen operierende Untergrund-Organisation erregte indirekt erstmals 1993 Aufsehen, als die Barbie Liberation Organization mit finanzieller Unterstützung aus ®TMark-Fördertöpfen die Mattel Corp. der Lächerlichkeit preisgab. Shoplifter „entführten" landesweit je 500 Barbie- und G.I. Joe-Puppen, vertauschten die Voiceboxes und schmuggelten das geschlechtsumgewandelte Spielzeug wieder zum Verkauf in die Läden. Zu weiteren medienwirksamen „Kultur Hackings" gehörten die Programmierung von homosexuellen GIs in das Videospiel „SimCopter" und erst kürzlich die CD „Deconstructing Beck", ein publicityträchtiges Manifest gegen gesetzliche Copyright-Restriktionen am konkreten Versuchsobjekt Beck Hansen.

Die Gruppe ®TMark, die sich im harten Kern aus Medientheoretikern, Rechtsgelehrten und Kapitalismuskritikern rekrutiert, tritt nie aktiv als Saboteur in Erscheinung, liefert aber mit ihren Kontakten, ihrem Know-How und der Website „www.rtmark.com" eine ausgeklügelte Infrastruktur zur Förderung intelligenter und ästhetischer Sabotage von industriellen Fließband-Produkten. Interessenten können ®TMark per e-mail kontaktieren. Im Falle einer Einigung bietet die Organisation" umfassende Unterstützung bei der Akquise potentieller Spender für kostenaufwendige Konzepte und steht bei deren Realisierung mit Rat und Tat zur Seite.

Was sind das für Menschen, die mit ihrem privatem Geld fremde guerilla art unterstützen?

Genau wissen wir das auch nicht. Wir denken, es sind ganz normale Leute, mit mittlerem Einkommen, die ein Forum für Ideen suchen, die sie in ihren Jobs oder anderswo nicht ausdrücken können. Wir betrachten es gerne als eine Investition in die Kultur, die sogar noch Ertrag bringt, inklusive der Befriedigung, kulturell etwas bewirkt zu haben.

Der Freiwillige geht mit seiner Sabotage ein hohes persönliches Risiko ein, und nicht selten müssen die Projektgelder im Nachhinein für Anwaltskosten aufgewendet werden. Die Fähigkeit, völlig unantastbar und anonym im Untergrund operieren zu können, erwies sich bisher als größte Stärke ®TMarks. Denn das öffentliche Erscheinungsbild des role models ®TMark definiert sich, genau wie das ihrer erklärten Feinde, lediglich über Firmenlogos, Corporate Identity, Slogans, Sound Bytes und gelegentlichen Produkten (Sabotage). ®TMark wählt die mediale Präsenz von Konzernen als direkten Angriffspunkt. Ihr Umgang mit Brandmarks, 1.) die totale Assimilation von Corporation Identities und 2.) das „Hacken" von Brandmarks (wie Barbie oder Beck), war letztlich auch ein Grund, warum Stocker sie zur Ars Electronica eingeladen hat.

Die Errungenschaften der digitalen Revolution liegen in den Händen von konservativen Kräften. Gerfried Stocker sieht in intellekuellen Aktivisten wie Euch große Hoffnungsträger, die Gefahren dieser fehlgeleiteten Entwicklung bewußt zu machen. Wie würdet Ihr Euren Ansatzpunkt beschreiben?

„Die Corporations haben sich ihr Territorium erobert, aber ihre Macht ist schwer lokalisierbar. Um sie zu bekämpfen, müssen wir unseren Modus und unsere Tools genauso schnell ändern können wie die Corporations. Die politische Macht ist irrelevant geworden. Das hat auch WIRED ganz richtig verstanden. In ihrer Januar-Ausgabe haben sie seitenweise verfügt, daß die Regierung nicht länger an der Macht sitzt. Stattdessen erzählen sie den Konzernen, daß sie von jetzt an die Geschicke unseres Planeten lenken- und kassieren dafür ganzseitige Anzeigen." (Ann: Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß WIRED diesen Sommer an die Mediengruppe „Advance Media" des Printmediemmoguls S.I. Newhouse verkauft worden ist)

Anfang dieses Jahres trat ®TMark mit einem stark überarbeiteten Förderkonzept an die Öffentlichkeit (zum ersten Mal überhaupt), das dem Begriff „Corporate Culture Sabotage" eine völlig neue Qualität verlieh. Ein ausgefeiltes Sponsoring, das sich stark an das Börsenmodell anlehnt (Assimilation), effektiviert in Zusammenarbeit mit Fundraising-Profis die Finanzierung von kulturell und finanziell riskanten Projekten (Manipulation). Der relativ kleine Kreis an potentiellen Sabotage-Geldgebern wird durch individuelle Beratung und unter Zusicherungen gewisser Sicherheiten davon überzeugt, daß sich eine Investition in eine teure und aufwendige Guerilla-Aktionen auszahlen wird. Im Falle eines Erfolgs erwartet ihn eine fruchtbare „Dividende" in Form von überwältigender Medienresonanz (je dreister der Prank, desto größer die Presse). Das kommende Jahr wird nun zeigen, ob sich das neue Finanzierungsmodell rentieren wird. Das Spiel „Börse" hat für ®TMark gerade erst begonnen.

„Wir arbeiten bereits an weiteren alternativen Förderkonzepten."